Postproduktion Vorproduktion

Die 4Ws der Story-Idee

In Vorbereitung auf die Ausarbeitung meiner Filmidee, habe ich mal etwas geforscht, wie man relativ „einfach“ auf eine Idee für eine Story kommt. Viel Spaß damit.


Um auf eine Idee für einen Film zu kommen, also eine Story, verhält es sich nicht anders, wie bei der „normalen“ Ideenfindung. Inspiration entsteht aus allem, was uns tagtäglich umgibt und mit dem wir uns beschäftigen. Je breiter das Spektrum, aus dem wir schöpfen können, desto besser. Unsere Interessen bestimmen, welche Art von Storys uns ansprechen, und welche Filme wir aus ihnen machen wollen.

The first word you write is a distillation of the knowledge you’ve accumulated over time. The first brushstroke you paint is a reimagining of the experiences you’ve stored somewhere in the mind.

Lawrence Yeo

Schlagzeilen in den Nachrichten, tagtägliche Ereignisse und skurrile Alltagssituationen, Träume und Alpträume, Ängste und Phobien, Szenen in Büchern, in Filmen oder Serien, Unterhaltungsfetzen, die man mitbekommt und Gespräche, die man führt … alles kann der Auslöser für eine Idee sein.

Doch worin unterscheiden sich Idee und Filmidee?

Filme erzählen bekanntlich Geschichten. Geschichten haben eine Struktur (Anfang, Mitte, Ende) und handeln von Figuren, die bestimmte Ziele verfolgen. Und irgendwo in der Geschichte sollte eine „allgemeine Wahrheit/universal truth“ stecken, die Moral. Eine Erkenntnis, die auf jeden Zuschauer zutrifft, diesem vertraut erscheint, und die bestimmte Emotionen auslöst.

Konflikte sind der Treibstoff einer Story.

– is’ so –

Ein weiterer wichtiger Aspekt einer Geschichte ist der Konflikt. Jeder kann emotionale Achterbahnfahrten nachvollziehen und verstehen, denn sie gehören zum Leben dazu. Klar, nicht jeder von uns war jemals in einer Dreiecksbeziehung, Verfolgungsjagd oder Schießerei verwickelt, oder musste vor einem Wahnsinnigen mit einer Kettensäge davonrennen – hoffe ich zumindest – aber dennoch fühlen wir uns davon angezogen, vom Reiz, diese Extremsituationen miterleben zu können.

Also einfach ausgedrückt: Filmgeschichten handeln von Figuren die bestimmte Ziele verfolgen, damit einen Konflikt auslösen und diesen dann überwinden müssen, oder davon überwältigt werden.

Eine „gute Story“ bedeutet etwas Erzählenswertes, das die Welt hören möchte.

– Robert McKee

DIE 4Ws

Eine gute Methode um auf eine Story-Idee zu kommen ist, sich mit ein paar Fragen auseinanderzusetzen. Ich nenne sie mal die 4Ws:

Was wäre, wenn?

Wer?

Wo?

Warum?

WAS WÄRE, WENN …

Die Was-Wäre-Wenn-Frage ist in erster Linie ein Gedankenspiel um den Denkprozess anzukurbeln. Sie kann helfen, das Konzept einer Story zu definieren.

Hier ein paar bekannte Beispiele:

Was wäre, wenn die Welt, in der wir leben, in Wirklichkeit eine Computersimulation ist? (Matrix)

Was wäre, wenn ein kleiner Junge Tote sehen und mit ihnen kommunizieren könnte? (The Sixth Sense)

Was wäre, wenn man aus fossiler DNA lebendige Dinosaurier erschaffen könnte? (Jurassic Park)

Was wäre, wenn man immer die Wahrheit sagen müsste? (Der Dummschwätzer)

Die Was-Wäre-Wenn-Frage setzt natürlich etwas Einfallsreichtum voraus. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, es gibt kein richtig oder falsch. Wenn man keine Ideen hat, kann man sich Schlagzeilen oder Situationen vornehmen und mit etwas gegensätzlichem oder bizarrem verbinden. Das macht nicht nur Spaß, sondern regt auch die Fantasie an:

Was wäre, wenn ein geldgieriger Banker alles was er berührt in Münzen verwandelt?

Oder:

Was, wäre, wenn jemand morgens aufwachen würde und anstatt seiner Hände Krebsscheren hätte?

Okay, vielleicht zu kafkaesk. Wobei es Studien gibt, die belegen, dass die Kafka Lektüre kreatives Denken fördert – nur so nebenbei.

Nächster Versuch:

Was wäre, wenn jeder auf einmal einen Doppelgänger hätte?

Könnte man als Komödie aufziehen oder als Thriller, wo die Doppelgänger ihren „Originalen“ nach dem Leben trachten …

Und weil’s so lustig ist, gleich noch ’ne Runde:

Was wäre, wenn Kleinkinder bis zu einem bestimmten Alter über (unkontrollierte) magische Fähigkeit verfügen würden?

Zugegeben, das sind jetzt alles keine Wahnsinnsideen, aber man kommt doch relativ schnell auf akzeptable Ergebnisse. Je nach Qualitätsanspruch. 😏

Wenn man auf etwas stößt, das etwas in einem auslöst, sollte man seinem Instinkt vertrauen und schauen, wohin das führen könnte. Dem Einfall nachgehen. Vielleicht steckt ja eine Story drin, die zu einem Film taugt?

Noch ein kleiner Tipp: Macht man es sich zur Gewohnheit, Was-Wäre-Wenn-Fragen, die einem in den Kopf schießen, zu notieren, hat man nach einiger Zeit ein gutes Arsenal an Story-Konzepten, welches man zu Rate ziehen kann, sollte die Inspiration mal wieder ausbleiben.

WER?

Die nächste Frage beschäftigt sich mit dem Hauptcharakter. Um wen dreht sich alles? Wer steht im Mittelpunkt und welche Ziele hat er oder sie? Je genauer die Vorstellung über die Figur – ihre Eigenschaften, Wünsche und Ziele, Ticks, Vorlieben, Charakterzüge, welcher Arbeit sie nachgeht, woher sie kommt, wie sie spricht, wo sie aufgewachsen ist etc. – desto echter wird sie sich in der Story verhalten.

Wichtig ist auch hier der Konflikt, den sie mit in die Story bringt. Was will sie oder was will sie nicht und was hindert sie daran ihr Ziel zu erreichen? Was könnte passieren, dass sie aus ihrem gewohnten Leben gerissen, und zum Handeln gezwungen wird?

Auch hier sind Gegensätze hilfreich. Ist die Figur Situationen oder Gegenspielern ausgesetzt, die konträr zu ihren Einstellungen sind und sie zum Handeln zwingen, ist sie automatisch einem gewaltigen Konflikt ausgesetzt. Je mächtiger der Gegner, desto größer das Konfliktpotenzial.

Bleiben wir doch mal bei der Idee mit den magischen Kleinkindern. Da fällt mir ein passendes Zitat von Paulo Coelho ein:

Ein Kind kann einem Erwachsenen immer drei Dinge lehren: grundlos fröhlich zu sein, immer mit irgend etwas beschäftigt zu sein und nachdrücklich das zu fordern, was es will.

Besonders der letzte Teil – nachdrücklich das zu fordern, was es will – bringt mich auf eine Idee. So könnte unser Hauptcharakter ein Mädchen/Junge sein, die sich nur über ihre magischen Fähigkeiten definiert, sie als Machtinstrument benutzt und sich fest in den Kopf gesetzt hat, diese Fähigkeiten nicht zu verlieren, da ihre Existenz darauf beruht. So mal auf die Schnelle.

WO?

Die Welt der Geschichte ist ebenso wichtig. Wo findet die Story statt? Der Ort kann – Achtung Wortspiel – eine ganze „Welt“ neuer Ideen eröffnen und beeinflusst auch die Stimmung. Es gibt Orte, die bestimmte Verhaltensweisen in Menschen hervorrufen. Orte, die eine bestimmte Klientel anziehen. Orte, die menschenfeindlich sind usw. Wo immer die Story stattfindet, ihre Umgebung definiert bereits eine Reihe von Möglichkeiten; ebenso was möglich ist und was nicht.

Auch hier sollte man sich experimentierfreudig zeigen und die Idee in verschiedenen Umgebungen mal durchspielen. 

Zurück zu unserem Beispiel: Was ist der beste Ort, an dem man Kinder mit magischen Fähigkeiten zusammenhalten könnte? Wahrscheinlich ein Heim, ein spezielles Heim, das den magischen Fähigkeiten standhalten kann.

Das bringt mich auf weitere Ideen: Jedes Kind muss seine ersten Lebensjahre in einem Heim verbringen, damit die Gesellschaft nicht im Chaos versinkt. Verebben die magischen Fähigkeiten, werden sie ihren Eltern übergeben.

Diese Ausgangssituation hat schon sehr viele Möglichkeiten in sich: Was passiert in einem Heim mit so vielen magischen Kindern? Wie kann man sich so ein Heim vorstellen? Wer passt auf sie auf? Man sieht, der Ort allein kann schon eine Menge Inspiration liefern.

WARUM?

Als letztes sollte man sich darüber klar werden, warum man die Geschichte erzählen will? Was will man vermitteln? Warum ist es so wichtig, diese Story zu erzählen? Hier spielt auch die oben erwähnte „allgemeine Wahrheit/universal truth“ eine Rolle. Was ist die Erkenntnis, die die Zuschauer aus dem Film mitnehmen sollen?

Ist man sich im Klaren darüber, was die Beweggründe sind, so lassen sich diese hervorragend als kreatives Mittel für die Ideenfindung der Handlung nutzen. Ein und dieselbe Story-Idee verläuft in komplett unterschiedliche Richtungen, ist das „Warum“ das Aufzeigen von Ungerechtigkeiten oder von Altersproblemen, der Auswirkungen von Liebeskummer oder von Drogenkonsum. Der Verlauf der Erzählung richtet sich danach.

Storys handeln immer von etwas, und je bewusster sich der Autor ist, worüber er schreibt, desto stärker ist die Kraft seiner Botschaft und desto wirkungsvoller der Film.

– Linda J. Cowgill

Manchmal fühlt man sich zu einer Idee hingezogen, weiß aber nicht so recht “Warum”. Hier kann es hilfreich sein, die Idee einem “Warum” oder Thema gegenüberzustellen, um zu schauen, welche Auswirkungen das auf die Story hätte.

Die Idee mit den „magischen Kindern im Heim für magische Kinder“ liegt mir jetzt nicht wirklich am Herzen. Ich habe keine Ahnung, warum ich sie erzählen will, ist ja auch nur ein Beispiel. Aber angenommen ich will daraus einen Film machen, dann suche ich mir doch am besten ein Thema, das Nahe an der bisherigen Idee ist: Unterdrückung. Ich will die Missstände in der Gesellschaft gegenüber „anders Begabten“ aufzeigen. Wer anders ist, fällt auf, passt nicht ins Schema und wird so lange der Gesellschaft vorenthalten, bis er oder sie gleichgeschaltet ist.

Anhand des „Warum“ kommen mir gleich wieder neue Ideen: Wer hat ein Interesse daran, dass die Kinder ihre Fähigkeiten verlieren? Müssen die Kinder irgendetwas einnehmen, um sich ihrer Magie zu entledigen? Gibt es Klassenunterschiede im Heim, also gibt es Kinder, die ihre Fähigkeiten weiterhin nutzen können, aber als Gegenleistung den Aufsehern bei ihren zwielichtigen Machenschaften helfen müssen? Undsoweiterundsofort …

Wie man sieht, ist der kreative Prozess hinter einer Story oftmals recht Chaotisch. Ein neuer Gedanke löst eine neue Idee aus, die wiederum zu neuen Einfällen führt, was die ganze Geschichte in eine andere Richtung lenken kann.

So ist es nicht unüblich, dass sich im Denk- und Entwicklungsprozess auch mal Charaktere, Orte und das Warum ändern. Je nachdem, welchem Einfall man in seinem Irrgarten an Ideen folgt. Auch hier gilt: einfach ausprobieren und dem Bauchgefühl nachgehen.


Hier mal eine angepasste Version unserer Story-Idee:

Was wäre, wenn jedes Kind mit magischen Fähigkeiten geboren wird, und die ersten Lebensjahre in einem Heim verbringen muss, wo diese Fähigkeiten aberzogen werden?

Wer? Unser Hauptcharakter ist eine kleine zornige Magierin, die verbissen an ihren Fähigkeiten festhalten will, denn sie geben ihr Vorteile gegenüber den anderen Kindern im Heim, die sich nicht auf die verbrecherischen Machenschaften der Aufseher einlassen.

Wo? Unsere Welt ist ein Heim mit dutzenden von Kindern aller Altersstufen. Beheimatet in einer riesigen alten Heilanstalt hat es eher den Charme eines Gefängnisses. Genauso werden auch die „Insassen“ behandelt. Da keinerlei Kontrollen vorgenommen werden, herrschen die Aufseher unter Anweisung einer despotischen Leitung, die die Kinder für ihre Machenschaften ausnutzt.

Warum? Der Film soll zeigen, wie leicht es sein kann andere zu unterdrücken und für seine Zwecke zu missbrauchen.

Die Story. In einem Heim, in dem magisch begabten Kinder ihre Fähigkeiten aberzogen werden sollen, kämpft unsere Heldin gegen die Ausbeutung und Unterdrückung durch die Aufseher an, die mithilfe der magischen Fähigkeiten der Kinder zwielichtige Geschäfte machen. Anfangs ist unsere Heldin auf Seiten der Aufseher, bekommt durch Gaunereien etc. gewisse Vorteile in dem harten Heimalltag. Doch durch ein schockierendes Erlebnis bekommt sie die Auswirkungen ihres Tuns vor Augen geführt und macht es sich von da an zur Aufgabe, das korrupte System von innen heraus zu zerstören und ihre Mitinsassen zur Freiheit zu führen.

Daraus könnte man doch etwas Spannendes machen, oder? Du darfst die Idee gerne weiterspinnen und Dir zu eigen machen, wenn Du magst. Bin gespannt, was Du daraus machst.


Mit den 4Ws kommt man in relativ kurzer Zeit und spielerisch zu einer Filmidee. Zusätzlich macht es Spaß, in welche Richtungen man seine Ideen und Gedanken schweifen lässt, welche Einfälle man nachverfolgt und wohin sie einen leiten können. In dem Stadium der Ideenfindung gibt es keine Grenzen, alles ist erlaubt. Deswegen auch nicht vor extrem düsteren Gedanken oder Ideen zurückschrecken. Die Grenzen des Denkbaren ausloten. Alles dient dazu eine packende Story zu erfinden und je ungewöhnlicher die Einfälle, desto interessanter wird sie.

Mich würde interessieren, ob Du mit den 4Ws etwas anfangen kannst und wie Du auf Ideen für Deine Geschichten kommst? Kannst mir gerne schreiben. Würde mich freuen von Dir zu hören.


Wenn der Post Dir zugesagt hat, würde ich mich freuen, wenn Du ihn an eine Person weiterleiten würdest, die sich ebenfalls dafür interessieren könnte. Wenn Du Dich in meinem Newsletter einträgst, gebe ich Dir zweimal im Monat Einblick hinter die Kulissen, wie ich meinen Kurzfilm mache. Das Making-of zum Making-of sozusagen. Kannst Dich jederzeit wieder abmelden und SPAM bekommst Du auch nie. Versprochen!

Ich möchte den kostenlosen Newsletter abonnieren und habe die Bedingungen [LINK] hierzu gelesen und akzeptiert.

Gelerntes aus diesem Post:

Mit den richtigen Fragen zur Story-Idee kommen. Mich nicht im eigenen Denken beschränken, sondern versuchen, alles mit allem zu verbinden. Nicht davor zurückschrecken, neue Richtungen einzuschlagen. Mich von meiner Neugier lenken lassen.

Mein Fazit: Fragen stellen, und den Antworten nachgehen.